Seit Tagen liegt zwischen den Schulsachen meines Sohnes ein Kuvert:
„Nur von Papa und Marijan zu öffnen!“ steht dort drauf.
Wenn ich ehrlich bin, wäre es mir lieber, es würde zu bleiben. Und wenn ich noch ehrlicher bin, möchte ich am Sonntag auch kein „Überraschungsgedicht“ aufgesagt bekommen. Das hört sich gemein an und ist es vielleicht auch. Damit ihr mich versteht, muss ich weiter ausholen.
Im Rahmen des Corona-Homeschoolings bekam mein Sohn einige Arbeitsblätter von der Lehrerin, die sich allesamt mit dem Thema „Muttertag“ beschäftigen. Genauer genommen mit dem, was eine Mutter „leistet“.
Beim Anblick der Aufgaben wurde ich zornig und traurig zu gleich. Ich fühlte mich in die 50er Jahre zurück versetzt und ich musste sofort an den Artikel 7 der österreichischen Bundesverfassung denken, nach dem vorm Gesetz alle Menschen gleich sind. Unter anderem sind Vorrechte des Geschlechts ausgeschlossen. Aber vor dem Gesetz, heißt noch lange nicht im Haushalt oder bei der Kindererziehung. Also beschloss ich frustriert und verbittert, der Lehrerin eine Email zu schicken, um ihr meinen Standpunkt klarzumachen. Einerseits wollte ich sie dazu animieren den nächsten Klassen „modernere“ Arbeitsunterlagen zur Verfügung zu stellen, anderseits habe ich einfach ein Ventil gesucht um meinem Ärger Luft zu machen. Nach einem halben Tag schoss ich die Idee wieder in den Wind – die Leistung, welche von den Lehrerinnen meines Sohnes momentan erbracht wird, ist bei weitem größer als dieser emanzipationstechnische Fauxpas, der (vielleicht nur) mich so getroffen hat. Ich möchte niemanden vorm Kopf stoßen. Und schon gar nicht in dieser Zeit. Auf Facebook kommentierte jemand den Screenshot des Koch-Putz-Bügel-Zettels mit: „Irgendwer muss den Haushalt machen“. Und irgendwie hat er damit natürlich auch recht. Das „Irgendwer“ anscheinend meistens automatisch die Mutter ist, hat einen ziemlich faden Beigeschmack.
Fairer- und glücklicher Weise sind die Aufgaben im Haushalt bei uns relativ gleichmäßig aufgeteilt und es liegt mir wirklich am Herzen, dass dieser „Lifestyle“ an meinen Sohn und an meine Töchter weitergegeben wird. Warum also trifft mich dieses blöde Arbeitsblatt so sehr? Was legt sich in meinem tiefsten Inneren so quer, dass mich dieses Thema tagelang beschäftigt?
Die Antwort ist schmerzhaft und befreiend zu gleich.
Ich möchte nicht, dass mich meine Kinder so sehen. Ich will in den Augen meiner Kinder nicht auf Tätigkeiten reduziert werden, die lediglich dem Haushalt zugute kommen, aber mit unserem Eltern-Kind-Verhältnis kaum etwas zu tun haben. Ich stellte mir vor, meine Kinder würden nach meinem Tod an mich zurückdenken und sagen: „Unsere Mutter war so brav. Sie hat immer unsere Wäsche gebügelt.“ Oder: „Das beste Erlebnis, das wir mit ihr hatten, war als die Wohnung von ihr auf Hochglanz geputzt wurde, während die Waschmaschine lief.“
Was für ein Schwachsinn.
Ich möchte die Mutter gewesen sein, die mit ihren Kindern in einer lauen Sommernacht am Balkon die Sternschnuppen beobachtet hat. Mit der sie im Wald nach Trüffeln gegraben haben. Ich möchte, dass sie sich ans wild Zelten erinnern. An die Lagerfeuer. An die Seegurke die wir fingen. An den Seeigel, dessen Stachel in unseren Füßen steckten. An all die schönen Gipfel, die wir gemeinsam erklommen haben und das Klingen der Kuhglocken. An die Lieder, die ich für sie gesungen habe. An die geheimnisvollen Höhlen die wir erkundeten. Wie wir vom Hochstuhl aus Rehe beobachteten. An die Nächte, in denen wir Glühwürmchen fingen. An all die Schwarzen Löcher, durch die wir mit dem Auto fuhren. An die Geschichten, die ich für sie erfand. Sie sollen die Sonnenuntergänge in ihren Erinnerungen behalten, die wir am Meer genossen, während die Flut unsere braungebrannten Beine umspülten. Das alles und viel mehr haben wir gemeinsam erlebt. Und es soll noch so viel mehr dazu kommen.
Leider bleibt dafür nicht immer viel Zeit. Wegen dem Kochen, dem Putzen, dem Lernen, der restlichen Hausarbeit. Also BITTE: kein Gedicht am Sonntag, in dem an das erinnert wird, was nicht erinnerungswürdig ist. Emanzipation hin oder her.
Das ist wirklich hefitg und klingt nach der Hausfrauenehe die meine Mutter noch erlebte bevor sie sich trennte und ohne alles da stand. Ich wünsche dir dennoch einen schönen Muttertag mit Sternschnuppengucken oder Sterne beobachten und was dir sonst noch Freude bereitet.
Gefällt mirGefällt 2 Personen
Vielen Dank ❤ Ich hab mir den Frust von der Seele schreiben müssen. Und das Thema werde ich in Form von einem „überarbeiteten“ Arbeitsblatt ansprechen. Alles liebe aus Kärnten!
Gefällt mirGefällt 2 Personen
Oh ja, mach das 👍 Liebste Grüße aus Lübeck an der Ostsee
Gefällt mirGefällt 1 Person
Ich hätte direkt nach dem Durchlesen sogar direkt an die Schulleitung geschrieben! Mein grosser Respekt an Dich, dass Du Dich so zusammenreißen konntest. Kann so richtig mit Dir fühlen.
Überarbeitung des Arbeitsblattes ist definitiv die diplomatischere Vorgehensweise!
Gefällt mirGefällt mir
Liebe Laura, ich gebe dir in allem Recht.
Als ich so richtig mitten drinnen steckte, hätte ich am liebsten geweint an den Muttertagen und habe es getan. Es sollte nicht nötig sein, die Mütter einmal im Jahr zu loben und sie dann wieder in der Arbeit zu versenken. Es sollte nicht nötig sein, die Mütter zu beschenken, sie sollten ein eigenes Einkommen haben und sich selbst ihre Wünsche erfüllen können.
Aber abgesehen davon fällt mir auf, dass du selbst, dass wir selbst, wir Mütter und Frauen, dass wir selbst die Hausarbeit gering schätzen. Putzen, Kochen, Aufräumen, Waschen, Bügeln sind Arbeiten, die nicht jeder kann! Diese Tätigkeiten erfordern Struktur, Kraft, Ausdauer, Kenntnisse bezüglich Ernährung, Kenntnisse bezüglich Schadstoffe und Umweltfreundlichkeit, bezüglich Textilien, Holz, Kunststoffe. Diese Tätigkeiten sollten wertgeschätzt werden! Auch von den Hausmännern und Hausfrauen selbst. Hausarbeit sollte gebührend Raum und Zeit erhalten, anerkannt werden und gemeinsam bewältigt werden.
In diesem Sinne wünsche ich mir von den Kindern sehr wohl, dass sie es schätzen, dass – wer auch immer – den Haushalt in Ordnung hält.
Und ja, ich möchte auch als Person mit Bildung, mit Fantasie und mit Lebensfreude gesehen und geschätzt werden.
Gefällt mirGefällt mir